Florenz – Juventus Turin (Spielbericht)

Endlich mal ein richtiges Hassderby in Italien! Die Liga musste durch den Zwangsabstieg Fiorentinas einige Jahre auf dieses Spiel warten, dementsprechend hoch waren auch die Erwartungen als wir Freitag Abend direkt nach dem Heimspiel gegen Kiel zu 4. im Wissing-Hoppingmobil gen Süden aufbrachen.

Mittags waren wir dann nach kurzweiligen Brückenzählspielchen auf italienischen Autostradas am Ziel. Ein Hotel war mehr oder weniger fix gefunden und zwecks Kartensituation abchecken ging es zum Stadion. Direkt die erste herbe Enttäuschung: Für uns waren keine Karten zurückgelegt, das Spiel restlos ausverkauft. Zwischen Hoffen und Bangen ging es dann erst mal rund ums Stadion oder besser: die Stadien. Ein regelrechter Stadienkomplex war auf dem Trainingsgelände der Lila-Weißen aufgebaut worden.

Viele Tifosi schienen ebenfalls wenig Vertrauen in den Schwarzmarkt zu haben und so begannen schon Stunden vor Kick-off kleinere und größere Grüppchen den Berg- bzw. Zaunsteiger in sich zu entdecken. Auch wenn es keine 8000er zu bezwingen galt, 3,50 Meter und höher über gesicherte Zäune und Kassenhäuschen musste der geneigte Zuschauer dann doch klettern. Wir entschieden uns dagegen und zeigten den Ordnern in der Curva Fiesole unsere Ausweise von denen wir meinten, dass sie uns den Zutritt schon gestatten würden. Die Ordner sahen das scheinbar ganz ähnlich und so hatten wir unsere Kräfte fürs klettern gespart.

Von drinnen konnte man schön sehen, wie scheinbar nicht so talentierte Kletterer von ihren Kumpels im Stadion mit Eintrittskarten versorgt wurden. Dass die Polizei keine 2 Meter weiter stand kümmerte da recht wenig. Statt dessen wurden eben jene lieber munter bepöbelt.

Ich verzog mich dann auf die Gerade. Keine 2 Minuten gewartet und die Busse mit dem imposanten Auswärtsmob aus Turin kamen auf dem Parkplatz direkt hinter meinem Platz angerollt. Zirka 20 dürften es gewesen und Fighters, Drughi und Anhang machten sich sogleich daran vermummt auf Polizei, Absperrung und Einheimische loszurennen. Dabei flogen einige Bengalen, Leuchtspur und andere Geschosse durch die Luft. Es dauerte gute 10 Minuten bis die Cops die Situation durch versprühen von massenhaft Tränengas unter Kontrolle gebracht hatten. Ganz übles Zeugs, das sogar den Leuten im Stadion auf der Haupttribüne noch derbe in den Augen gebrannt haben dürfte. Zum Dank landeten nun einige Absperrgitter auf den Autos der Behelmten. Diese sahen wohl die einzige Chance die Gäste vom Parkplatz zu kriegen darin, den Block zu öffnen. Auf Kommando stürmte der ganze Mob ohne durchsucht oder auf Karten kontrolliert zu werden die Kurve. Ein geiles Bild! Der Polizei blieb nichts anderes als in Deckung zu gehen und die Horden vorbeirennen zu lassen.

Kaum waren die ersten im Gästeblock angekommen, so erhob sich das ganze Stadion, was 2 Stunden vor Beginn schon richtig schön voll war und man konnte ein wahnsinnig lautes „Juve merda, Juve, Juve merda!“ hören. Dazu ein imposantes Pfeifkonzert. Reaktion der Gäste waren 1 oder 2 Bengalen Richtung angrenzendem Fanblock.

In Florenz wird von beiden Kurven aus supportet, wobei die Curva Fiesole mit dem Collectivo Autonome Viola die aktiviere das ganze Spiel über war, auf der anderen Seite das Viola Korps und Gefolge aber durchaus zu gefallen wussten. Auf Heimseite gab es heute Unterstützung durch die Ultras Granata vom Turiner Stadtrivalen. (Granata = ital. für Weinrot, der Vereinsfarben von Torino Calcio).

Zu Spielbeginn gab es die Choreo zu begutachten, von der Fiorentina in den vergangenen Wochen als „der größten und schönsten die es in Florenz je gab“ gesprochen hatte. Zu sehen gab es in der Curva Fiesole 4 große Blockfahnen, umrandet von Pappen, auf der anderen Seite das Lilienwappen in rot auf weißem Untergrund ebenfalls aus Pappen. Am Rand wurden lila, rote und weiße Folienbahnen hochgezogen. Ein klasse Anblick aber mir gefällt die Derbychoreo von 1996, als die ein rotes Herz auf lila Hintergrund mit einer weißen Herzschlaglinie aus Pappen dargestellt wurde, noch besser. Oder das Intro von 1990 – einer lila Stadtsilhouette auf weißem Hintergrund.

Im Gästeblock wurde munter mit Pyrotechnischen Erzeugnissen aus dem Hause Tifo herumexperimentiert. Die Testergebnisse schienen nicht zu überzeugen und so flog ein Großteil der Fackeln direkt in die angrenzenden Blöcke. Einiges kam dank der extrem hohen Zäune jedoch auch zurück in den aufgrund des Blocksturms viel zu vollen Sektor geplumst. Dumm gelaufen.

Aber viel zu voll war nicht nur der Gästeblock. Überall standen und saßen Fans wo sie eigentlich nicht eingeplant waren. Auf Zäunen, Aufgängen usw. Es waren sicherlich mehr als 5000 Tifosi auf nicht ganz legalem Wege ins Stadion gekommen.

Dadurch wurde die Stimmung aber noch einiges geiler. Teilweise ohrenbetäubende Gesänge, wo dann bei Liedern wie „Chi non salta bianco-nero!“ auch Haupt- und Viptribüne einstimmten. Von kleinen Kind bis zum Opa, das ganze Stadion am hüpfen und singen. Einfach nur genial!

Der grandiose Spielverlauf trug natürlich sein übriges dazu bei. Dreimal gingen die Violetten in Führung, dreimal glich Juve aus. Bei jeden Treffer ein Jubel im Stadion als wäre gerade der Scudetto errungen worden. Tausende stürmten auf die Zäune, Bengalen fanden ihren Weg in den Innenraum und an allen Ecken und Enden Böller. Selbst Polizei und Ordner lagen sich in den Armen um zu feiern. Einfach geil wenn man sieht wie in anderen Ländern komplette Städte hinter ihrer Mannschaft stehen. Hier bedeutet Fußball vielen wirklich alles und es ist nicht nur eine Floskel.

10 Minuten vor Spielende konnte Ibrahimovic leider zum letzten Mal ausgleichen. Dennoch wurde bis zum Abpfiff der unerwartete Punktgewinn gefeiert. Hoffentlich reicht er Florenz am Saisonende zum Klassenerhalt.

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