Rapid Wien – Austria Wien (Spielbericht)

Top-Angebot bei ab-in-den-urlaub für 3 Tage Wien incl Flug und Hotel mit Frühstück am Derbywochenende, ich wäre mit dem Klammerbeutel gepudert da nicht zuzuschlagen. Und so ging es Samstagmorgen mit Flixbus für unschlagbare 1 Euro nach Düsseldorf, ab dem dortigen Bahnhof dann einmal Kurzstrecke für 1,50 Euro gelöst (dekadente Wessi-Hopper) und für läppische 2,50 Euro von Münster zum Düsseldorfer Flughafen gekommen. In NRW ist aktuell Ferienzeit und so konnte ich einige Sozialstudien vor Ort durchführen. Irrwitzig wieviele Koffer der durchschnittliche Malle-Urlauber bspw. mitnimmt. Dank fehlender Passkontrolle in der EU keine doofe Ansprache am Zoll (auch mal ganz angenehm) und ab in den Flieger. AirBerlin war noch nie meine Lieblingsfluggesellschaft, aber wie weit unten die angekommen sind ist echt der Hammer. Im „Service“ kann man zwischen 3 alkoholfreien Getränken und 20-Gramm Tütchen trockene Cracker oder Studentenfutter wählen. Ich glaube dem Steward war das auch ein wenig unangenehm, als er den tollen Service pries und dann ankündigte, was die Reisenden erwarten würde. Scheinbar hat sich das allerdings schon rumgesprochen, der Airbus war nicht mal zur Hälfte voll und so konnte ich mich zumindest nicht über fehlende Beinfreiheit beschweren. Geil auch, dass die Tröten beim Start Kopfhörer verkaufen und dann mit Ausnahme eines 10 Minuten Best-off von The Big Bang Theory nur Werbung in eigener Sache senden. Dann nächstes mal doch lieber wieder Wizzair oder Ryanair, die sagen jedenfalls direkt was einen erwartet.

 

Der erste Tag wurde mit Sightseeing-extrem rumgebracht. Mit einem Marsch durch nahezu die komplette Altstadt, Prater, Donauinsel. Kurz war ich ja in der Versuchung mir im Cafe Sacher eine der berühmten Torten zu gönnen aber bei Preisen pro Stück, die eher auf Preise pro TORTE (incl. Lieferung frei Haus) schließen ließen, da hält man sich dann doch lieber zurück. Sowieso insgesamt eine recht teure Stadt wie ich finde, dieses Wien. In allen anderen mir bekannten Städten läuft das Pferdekutschengeschäft seit der Erfindung des Automobils auch nicht mehr so klasse wie hier.

 

Das 306. Wiener Derby fand dann am Sonntag Nachmittag um 16:30 Uhr statt. Bereits um 13 Uhr wollten die Lila-Weißen sich am Opernplatz treffen. Einziges Highlight dort um 13:30 jedoch noch eine kleine Kombo, die mit klassischen Musikinstrumenten herumstocherte. Kann, muss aber jetzt nicht unbedingt und so wurde die Ubahn Richtung Hütteldorf bestiegen. Bereits einige Haltestellen vorher wurde klar, was passiert wenn man seine Gruppenklamotten an jeden Hanspampel verkloppt und vor allem gefühlt jedes Spiel einen neuen Ultras-Schal in den Verkauf gibt. Wahnsinn, was für Gestalten mit „Ultras Rapid“ Schals durch die Platte eierten. Manchmal ist weniger vielleicht doch mehr, elitär hin oder her aber bei manchen Leuten will ich einfach nicht, dass diese den Namen meiner Gruppe in der Öffentlichkeit präsentieren.

 

Auf dem Corteo der Austria kam es wohl zu einem lustigen Zwischenfall, als ein Rapidfan aus dem Fenster seiner Wohnung im 1. Stock sprang und in die Meute hinein. In den deutschen Medien wurde übrigens von Randale und Ausschreitungen berichtet, österreich.at (und sämtliche Printmedien, die ich am nächsten Tag in die Finger bekam) sprachen hingegen von einem „erstaunlich ruhigen Derby“. Schon interessant, wie unterschiedlich Gesehenes interpretiert werden oder wie angenehm sachlich man manche Dinge auch mal sehen kann. Aber solange das Feierabendbierchen schön kalt ist und es zur Sportschau (oder wahlweise auch DSDS/BigBrother/Bauer sucht Sau) dann lecker Wurstschnittchen gibt, geht dem deutschen Michel das doch am Arsch vorbei. Brot und Spiele halt, genau wie früher. Nun aber raus aus der bunten Springer-Fantasiewelt und rein ins Getümmel.

 

„Ausverkauft“ war schon am Montag gemeldet worden. Dennoch blieben sicherlich einige hundert Sitze auf Haupt- und Gegentribüne frei. Wie das zusammenpasst, keine Ahnung denn auch der Schwarzmarkt war nun nicht gerade riesig gewesen.

 

Vorm Stadion, bei der Ankunft der Gäste konnte man das erste mal den Unterschied zwischen deutschem und österreichischem Derby sehen: Eine Polizeisperre von vll etwas über einem Dutzend Cops, dazu ein paar Absperrgitter. Als nen bisschen Rauch gezündet wurde und ein Böller flog blieb man ungerührt stehen. Keine Eskalation, kein blindes „der Verbrecher muss gestellt werden.“ Auch später im Stadion hielten sich die Staatsdiener angenehm im Hintergrund, man musste schon sehr genau schauen um welche zu finden.

 

Leider ist auch beim kleinen Nachbarn nicht alles Gold was glänzt. Das Rahmenprogramm war zwar noch durchaus erträglich, ziemlich peinlich jedoch der Versuch vorm Spiel quasi jedes Vereinsmitglied einmal auf dem Rasen gehabt zu haben. Dazu war fast jedes Mittel recht. Wer Geburtstag gehabt hatte, Hochzeit gefeiert, Firmung (!) oder ein besonderes Schnäppchen im Sommerschlußverkauf bei Klamotten Kaschulke geschossen hatte, dem wurde auf dem Feld von einer Dreiergruppe semibegeisterter Spieler ein Trikot, Autogrammball oder ähnliches in die Hand gedrückt. Schön hingegen die mehrfachen Dankesreden des Stadionsprechers zur tollen Stimmung im letzten Spiel. Leider ging dabei eines komplett unter, was ich bei Derbies sonst ganz besonders schätze: Das Einsingen der Kurven vor dem Spiel. Bis auf 2 oder 3 Pöbeleien zwischen den Blöcken blieb es bis kurz vor Anpfiff erschreckend still im kleinen Rund. Beziehungsweise Eck. Dieses wusste jedoch zu überzeugen. Keine dieser antiseptischen Multifunktionsarenen moderner Prägung sondern alte Bausubstanz die an vielen Ecken noch zu sehen ist nur halt ergänzt durch Sitzplätze und eine modernere Tribüne. So können Fußballstadien aussehen.

 

Nun zu den groß erwarteten Choreos zum Einlaufen. Tja schade. Das war auf beiden Seiten leider keine Offenbarung. Gerade für ein Derby hätte ich mir mehr erwartet als auf Heimseite zwei recht einfallslose Blockfahnen („Ultras Rapid“ und „Gruppo anti Viola“ – wird von der örtlichen Bäckerblume wohl nicht zum Foto des Monats gewählt werden) und auf der anderen Seite Luftballons mit dem lächerlichen Spruchband „Wien gehört uns“. Wer die folgenden 90 Minuten gesehen hat dürfte beim Lesen dieser Zeilen wohl noch dabei sein sich die Hosen vor Lachen voll zu machen. So eine gnadenlos Selbstüberschätzung kommt einem auch nicht alle Tage unter. Bei Rapid, okay wer jedes Heimspiel zwanghaft Choreos macht, dem gehen halt irgendwann die Ideen aus und wer .. ach lassen wir das Thema Austria erstmal ehe ich mich hier noch in Rage schreibe.

 

Bei Rapid 3 Vorsänger auf dem Podest, der etatmäßige sitzt ja derzeit eine Gefängnisstrafe ab – wegen seiner schlechten Angewohnheit, Fanzüge des Lokalrivalen anzugreifen und sich dabei erwischen zu lassen. Wieso einer eine Mikrofonanlage nutzt und die anderen beiden dann noch Megafone erschließt sich mir nicht wirklich, Problem war eher, dass die Anlage so heftig laut eingestellt war, dass selbst der Torwart auf der anderen Seite noch den Ansagen lauschen konnte. Ich bin eh schon kein großer Fan dieser Boxen aber wenn, dann doch bitte so, dass diese nicht alles übertönen.

Die 3 gaben jedoch alles, das muss man lassen. Die Qualität der Lieder war jetzt über weite Strecken nicht wirklich das was ich mir erhofft hatte und auch der „die ganze West singt mit“

Mythos entpuppte sich beim genauen hinsehen als meist nicht wirklich zutreffen. So gut wie nie sangen mehr als 2/3 des Blocks mit. Dennoch, Hüpfeinlagen, Klatschen usw kam schon heftig geschlossen rüber, teilweise stiegen auch die angrenzenden Blöcke auf der Gegengeraden (die auch das ganze Spiel über standen, trotz Sitzplätze) mit ein. Das „Normalo“publikum für einen Deutschen eh eine Wucht. Kaum bis fast gar keine mit Schals voll-gehängten Weihnachtsbäume, bei Pyro wurde nicht gepfiffen (übrigens gab’s auch keine mahnenden Ansagen des Stadionsprechers) sondern das Handy zum Fotografieren herausgeholt und auch bei Gesängen stieg man wie erwähnt hin und wieder mit ein. Warum nur ist der Österreicher da so grundverschieden vom Deutschen Fußballfan?

Besonders positiv aufgefallen (aber nicht nur auf der West sondern auch bei den Lords, die beim Derby ja immer ihren Platz auf der Osttribüne aufgegeben und auf die Gegengerade wandern müssen) ist mir der Altersschnitt in den Gruppen. Es dürfte wohl wenige deutschsprachige Gruppen mit einem so hohen Altersschnitt geben. Hat mit Sicherheit auch mit der Kapazität der West und der damit verbundenen Schwierigkeit für jüngere Fans an Dauerkarten zu kommen zu tun, doch so viele 3Xjährige sieht man selten im aktiven Kern stehen.

Eine weitere Sache, die ich in Westeuropa schon lange nicht mehr gesehen habe, ist das Verwenden von Pyro während des Spiels zur Förderung der Stimmung im Block und nicht nur zum Intro. Auch wenn Rapid zur 2. Halbzeit ein schönes Pyrointro mit vielen Fahnen, grünem Rauch und grünen Bengalen zum Besten gab, so wurde wenn ein Lied gut lief immer mal wieder ne Fackel oder Rauch gezündet.

 

Austria … jetzt wird’s schwer. Wenn ich so genau drüber nachdenke, dann ist mir aus deren Block nach dem Intro eigentlich nur noch eine Szene wirklich im Kopf geblieben. Die Lords auf der angrenzenden Gegengeraden pöbeln und flugs stehen 6-8 Typen im Innenraum (davon mehrere mit Fanatics-Tattoo wie das Fotostudium später zeigt) und fuchteln wie die Affen rum ohne jedoch den nächsten Schritt zu gehen. Nach ein wenig Palaver lassen sie sich dann auch von den Ordnern mit einem Klaps auf den Po wieder in den Block schieben. An dieser Stelle nochmal erwähnt, dass die Bullen es nicht mal für nötig befanden die Helme aufzusetzen geschweige denn einzuschreiten.

Insgesamt kann ich nach diesem Spiel wohl guten Gewissens sagen: Austria und Ultras Essen, diese Freundschaft passt echt wie Arsch auf Eimer. Da haben sich zwei gefunden. Wenn ich DVDs mit Filmen veröffentlichen würde, die zeigen wie Farbe trocknet oder meine Oma das Geschirr spült, wären die Verkaufszahlen vermutlich besser als wenn ich eine DVD „90 Minuten Fanatics Austria Wien“ gedreht hätte. Besonders witzig anzusehen war die Oberkörperfrei Fraktion deren Hobbies wohl mit Bodybuilding und Sonnenstudio hinreichend beschrieben wären. Bei jeder Provokation von Heimseite aus sprangen sie wie die Rumpelstielchen auf und ab und konnten einem irgendwie schon fast leidtun. Im Bizeps 5000 Volt, aber in der Birne kein Licht. Ansonsten ein absolutes Trauerspiel. Es gab keinen Vorsänger, sowas wie einen Stimmungskern konnte man das komplette Spiel über nicht ausmachen, Schwenkfahnen verschwanden nach gespielten 2 Minuten in der Versenkung und tauchten danach nie wieder auf, es wurde auch gerne mal 10 Minuten am Stück Fußball konsumiert ohne irgend eine akkustische Regung. Man hatte wohl mit „Wien gehört uns“ sich schon genug verausgabt. Eine RWE Fahne hing heute übrigens nicht, bei Rapid die üblichen Verdächtigen Green Monsters, Gate13, Ultras Nürnberg.

 

Das Spiel ging zwar leider mit 0:0 aus, hatte aber zumindest dank der gelb-roten Karte gegen einen Rapidler noch in der Mitte der ersten Halbzeit einen dramaturgischen Höhepunkt. Austria konnte aus seiner daraus resultierenden Überlegenheit nichts zählbares machen, Rapid vergab seine 2,3 guten Chancen und aus die Maus. Ein Tor hätte dem Spiel mit Sicherheit gut getan … wo ist das Phrasenschwein bitte sehr?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.