LKS Lodz – Widzew Lodz (Spielbericht)

Endlich mal die Chance auf ein Derby in Polen und so machten sich 3 Münsteraner und ein Exil-Zwickauer nachts um 11 auf den Weg in den wilden Osten. Während es für einen bereits das 9. Stadtderby sein sollte, war Polen für 2 absolutes Neuland, die Erwartungen demnach hoch.

Bereits in Bad Oehnhausen der erste Knaller: Eine total sinnbefreite Verkehrskontrolle welche sich, aus welchen Gründen auch immer, etwas arg lange hinzog und dann mit einer Ermahnung an den Fahrer heute und morgen keinen Mist zu bauen (und was ist ab Sonntag?) endete … lääääuft!

Der ganze Spass kostete dann auch gleich mal eine halbe Stunde unseres Zeitplanes, die Nachricht, dass vor dem Grenzübergang Frankfurt/Oder ein langer Stau auf uns wartete erhöhte die Begeisterung nicht gerade. Also ging es über Schleichwege rein ins Land unserer östlichen Nachbarn und dann auf gewöhnungsbedürftigen Landstraßen weiter.

Das erste, was wir von Lodz zu sehen bekamen waren, neben einer unsäglich verrotteten StraBa und ziemlich heruntergekommenen Plattenbauten, massig LKS-Graffities. Wem dieser Stadtteil gehört war auf den ersten Blick ersichtlich. Das meiste nur billiges Geschmiere aber hier machte es ganz klar die Menge. Kaum eine Häuserwand, Straßenbahnhaltestelle oder Mauer, welche nicht mit Farbe verziert worden war.

Unser erster Weg führte uns direkt zum LKS-Stadion, eigentlich für 18.000 Zuschauer ausgelegt, heute aber auf 8.000 begrenzt um somit nur 400 Gäste zulassen zu müssen. Was der Bundesliga ihre 10% Regel ist, ist des Polen 5% Klausel. Somit nicht, wie gewohnt bis zu 4.000 Gäste sondern nur ein Bruchteil davon. Die Hoffnung, Widzew würde es dennoch versuchen mit mehr Leuten zu kommen blieb jedoch noch ein wenig im Hinterkopf stecken, außerdem muss man sich drüber im Klaren sein, dass 400 Fans in Polen nicht das Selbe sind wie 400 in Deutschland.

Wir verbrachten nun unsere Zeit ein wenig mit (ereignislosem weil nicht interessantes zu finden war) Sightseeing, fleißiger Nahrungsaufnahme und dem Kauf der letzten TMK Ausgaben, ehe sich mit dem 5. im Bunde, welcher per Zug angereist war, getroffen wurde. Einzig erwähnenswert war die Modenschau in den Lodzer Kaskaden, einem großen Einkaufszentrum in der Stadtmitte. Hier schien man sämtliche Schönheiten des Landes eingefangen zu haben um uns irgendwelche belanglosen Klamotten zu präsentieren. Für letztere hatte natürlich keiner wirklich einen Blick übrig.

Da noch massig Zeit war, wurde ein ums andere Mal die Hauptstraße, welche die Gästefans auf ihrem vermeintlichen Fußmarsch vom Widzewstadion zur heutigen Spielstätte passieren mussten aufgesucht. Was muss das für ein Anblick sein, wenn hier 4.000 Leute geschlossen durch die Stadt marschieren …

Die Warterei gestaltete sich als sehr ereignislos und öde, lediglich ein immer größer werdender Mob auf der gegenüberliegenden Straßenseite fiel einem auf, ebenso wie die pausenlos patrouillierende Polizei, welche auf der gesamten Strecke zwischen den beiden Stadien in jeder Seitenstraße Einheiten stehen hatte. Dazu kam dann zu späterer Stunde noch ein kreisender Hubschrauber zur Überwachung von oben, sowie einige Wasserwerfer. Ein recht imposantes Aufgebot für gerade mal 400 Gäste.

Der Haufen auf der anderen Straßenseite war nun langsam auf über 250 Leute angewachsen, seine Absicht war auch endlich klar: Es waren Widzewhools, die sich nicht damit zufrieden geben wollten das Spiel nicht sehen zu dürfen und wohl darauf spekulierten, sobald ihre zugelassenen 400 Kollegen vorbeimarschierten, sich dem Mob anschließen zu können.

Leider wurde hier doppelt die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Kurz vor Ankunft der Gäste, wurde besagter Haufen eingekesselt und in diverse Nebenstraßen versprengt, dann kamen die Busse. Widzew war wohl schon am eigenen Stadion in eine handvoll Busse gepfercht und dann gefahren worden, somit ein äußerst unspektakulärer Auftritt, die Enttäuschung war doch nicht so ganz gering.

Dafür probierte nun der gerade noch in die Häuserschluchten geflüchtete Hoolmob sich anderweitig bis zum Stadion durch zuschlagen und spielte einige Zeit Katz und Maus mit der Polizei, letztere teils mit schweren Tränengaskanistern, ähnlich den bekannten Taucherflaschen, auf dem Rücken und so natürlich nicht die schnellsten. Währenddessen probierte selbiges ein zweiter Mob nur einige Straßen weiter.

Wie sich später raus stellen sollte, hatten sich 2.500 Wydzewfans am Stadion getroffen und mit der vollkommen überforderten Polizei angelegt. Daraufhin waren sie in mehreren Mobs durch die Stadt gezogen und versucht wie eben jene beiden Gruppen durch zu kommen.

Da wir nicht so erpicht darauf waren hier im Dunkeln zwischen die Fronten zu geraten, führte unser weg nun erst mal zurück zum Stadion. Eine (sehr) kleine Stadionrunde später, und zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mit so was wie einem flauen Gefühl in der Magengegend bei einem Spiel, wurden die Tore geöffnet. Am Fanshop für günstige 5 Euro ein „Lodzianie“ T-Shirt erworben, dann vor der deutschen Hopperarmada auf der Tribüne gen Innenraum geflüchtet.

Im Gästeblock: Enttäuschend wirklich nur 400 Widzewjungs, Durchbruchversuche sind also erfolglos geblieben. Die gut gefüllte Gegengerade hingegen sah wirklich beeindruckend aus: Quasi alle hatten ein weißes T-Shirt an und selbst die Haupttribüne war ziemlich einheitlich gekleidet. Etwa 15 Minuten vor Spielbeginn machte sich die Heimseite daran, die Fahnen aufzuhängen. Einige wirklich schöne Teile dabei, und auch wenn auf den ersten Blick nicht wenige aussahen wie professionell hergestellt: Bei näherer Betrachtung waren sie allesamt handgenäht, dafür Hut ab.

 

Zum Intro wurde im Gästeblock ein riesiges Transpi mit der Aufschrift „Es ist nicht wichtig wie viele wir sind – es kommt darauf an, wer Lodz regiert“ gezeigt, gefolgt von Pfiffen des ganzen Stadions und „Ilu was z lodzi wy kurwy ilu was z lodzi“ Gesängen. „Wieviele von euch kommen eigentlich aus Lodz ihr Huren“, in Anspielung darauf, dass die Stadtgebiete in LKS Hand sind und Widzew seine Leute mehr aus dem Lodzer Umkreis rekrutiert. Auf LKS-Seite wurde hingegen eine wirklich eindrucksvolle Schalparade ohne irgendwelche Lücken präsentiert – und das sowohl auf der Gegengeraden als auch der Haupttribüne. Das Transpi, an langen Stöckern hinter der Geraden hochgehalten, klappte allerdings aufgrund des starken Windes nicht so wirklich und auch der Sinn ist mir verborgen geblieben.

 

Die Stimmung in der 1. Halbzeit war eher durchschnittlich bis mager. Von den Gästen kam alle paar Minuten etwas, dann dafür aber um so lauter. LKS bei Schalparaden, Klatscheinlagen und kollektivem Hüpfen ebenso beeindruckend wie bei Wechselgesängen mit der Tribüne. Alles schon mal irgendwo besser und imposanter gesehen aber irgendwie immer wieder geil zu sehen wie wirklich JEDER mit hüpft oder seinen Schal in die Höhe streckt. Auch das Hasslied „trele morele zydzew to kurwy i cwele“ „trele morele [= zwei Komiker aus dem polnischen TV], Widzew sind Huren und Schwule“ – begeistert gesungen von der gesamten Haupttribüne konnte gefallen.

LKS in der Zwischenzeit nochmal mit 1-2 Choreos, so wurden über die Zeit verteilt insgesamt 5 Blockfahnen präsentiert, von unsere Position war der genaue Inhalt leider nicht zu erkennen aber irgendwie schien es ein wenig an malerischem Können zu hapern, denn das was man erkennen konnte war alles andere als detailliert und schön gemalt. Im Gästesektor wurde das Transpi, welches oben und unten im Block befestigt worden war, entfernt und statt dessen positionierte sich der Mob nun hinter der „Awanturnicy“ und einer Widzewfahne.

Mit einem armen 0:0 ging es in die Halbzeit, auch der ehemalige Bundesligaspieler Tomasz Hajto, jetzt in Diensten von LKS konnte daran nichts ändern.

 

Die Hoffnung auf eine schöne Pyroeinlage zum Wiederanpfiff konnte leider begraben werden, sollte das mein erstes Polenspiel ohne Pyro werden?

Dem aufmerksam Beobachter konnte jedoch nicht entgehen, dass irgendwas im Busch war. im Gästeblock wurde fix der Zaun gesäubert und auf einen Schlag hatte nahezu der komplette (sicherlich 90%) eine rote Sturmhaube auf. Ein verdammt beeindruckender Anblick. Im Gegensatz zum Staatsschutz hatte die andere Seite sehr wohl kapiert was hier Phase war und ruck zuck waren auch hier sämtliche Zaunfahnen verschwunden. Unser Platz auf der Aschenbahn genau zwischen den beiden Blöcken wirkte nun doch ein klein bisschen dumm gewählt, der Rückwärtsgang wurde eingeschlagen. Im Gästeblock tauchte nun eine geklaute LKS Fahne auf (Crazy Cannibals, von Widzew am 3.11. nach dem Spiel LKS – Plock organisiert, als der Eigentümer der Fahne nach dem Kick überfallen wurde) , die Heimhools liessen sich nicht lange bitten und binnen Sekunden waren 2 Tore aufgetreten und Zäune überklettert. Es ist mir eh ein Rätsel, wieso in so einem Land die Zäune zum Innenraum immer aussehen, als ob ein Beinamputierter Blinder da binnen 2 Sekunden drüber kommen könnte.

Einige Dutzend Vermummte machten sich auf den Weg zum Feind. Auch Widzew reagierte prompt und versuchte die Tore zum Innenraum einzureißen. Hier konnte jedoch leider die schnell hineinkommende Polizei weiteres verhindern, während auf Heimseite gut 100 Leute vom Feld gejagt werden mussten mit großen Ladungen Tränengas und fleißigem Knüppeleinsatz. Wenn man bedenkt, dass man für einen Platzsturm in Polen mal fix 3 Monate Urlaub auf Staatskosten bekommt auf jedenfall eine gelungene Aktion.

Während die komplett in schwarz gekleideten und mit Sturmhauben vermummten Staatsdiener nun teils auch mit Gummigeschossen die Hools versuchten unter Kontrolle zu bringen, standen die Spieler nur 5 Meter entfernt und bauten in Seelenruhe die umgetretenen Werbebanden wieder auf. Die Fans reagierten auf ihre Art und bewarfen den Feind mit Glasflaschen, Steinen und allem was sich sonst so in die Finger zu bekommen lies.

Wäre ein Spiel in Deutschland nun wohl so langsam aber sicher abgebrochen worden, spielte man hier schon nach einigen Minuten weiter als wäre nichts gewesen, dabei brannte das Tränengas noch in der Luft. Auf LKS Seite hatten nun einige Poser am äußersten Rand hin zur Gästekurve ihren großen Auftritt, auf den sie schon das ganze Spiel gewartet zu haben schienen. Die Jungs standen über 90 Minuten vermummt auf dem Zaun und pöbelten zum Rivalen rüber. Nun gab es hier ebenso eine geklaute Zaunfahne („Niewiadow“, von LKS nach dem Freundschaftsspiel Tomaszow gegen Widzew geholt), welche fleißig zerrissen und dann auf dem Zaun zusammen mit Schals, Trikots und T-Shirts dem Flammentod übergeben wurde.

Im Gästeblock Gejohle und einige Bengalen flackerten auf, um das selbige mit ihrer Fahne zu machen. Hier war jetzt so richtig Hass im Spiel, von der Haupttribüne flogen vereinzelt Flaschen und Steine Richtung Widzew, beim Wechselgesang „Zydzew?“ „Was?“ „Ihr Huren!“ beteiligte sich jedes Kind und jeder Opa. „Zydzew“, heissen hier die verhassten Gäste. Zyd bedeutet Jude auf polnisch.

 

Zum Finale wird auf der Heimseite noch einmal richtig schön aufgefahren. Ein Meer aus Fahnen und Doppelhaltern erstreckt sich über fast die gesamte Gerade, mittendrin etwa ein Dutzend Blinkbengalen. Ein schöner, weil chaotischer Anblick.

 

Das spielerisch mehr als arme Spiel geht gerechter weise mit 0:0 aus, die Jungs auf der Haupttribüne wollen jedoch nochmal punkten und treten massig Steine aus den Rängen um sie dann in großem Bogen fliegender weise den Gästen zu überlassen. Die lassen sich natürlich auch nicht lange bitten und werfen postwendend zurück. Etwa 5 Meter vor mir bricht einer von einem Faustgroßen Stein getroffen zusammen, für mich das Zeichen ein klein wenig mehr Abstand zwischen mich und die Fronten zu bringen. Die LKS Hools verabschieden sich von der Staatsmacht, indem sie diverse kleine Sprengsätze in die Kette werfen, bei Widzew noch ein weiterer, leider recht halbherziger, Versuch aufs Feld zu gelangen. Noch einige Minuten Warten und dann Rückwärtsgang, Treffen am Auto.

 

Insgesamt sicherlich nicht das Hammerderby, aber dennoch mal wieder schön in einem Stadion komplett ohne Normalos und anderes Dummvolk zu sein, ein wenig Action gesehen, einige Choreos … das war alles ganz ok und wenn beim nächsten Derby wieder mehr Gäste zugelassen sind spricht auch nichts dagegen hier noch einmal anzutischen.

 

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