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Tifare contro – eine Geschichte der italienischen Ultras

Posted on 19. August 201321. August 2013

Bei dem Vergleich der Ultrasbewegung mit den Hooligans gibt es eine signifikante Abweichung, die einem nicht gleich ins Auge springt. Wenn ich mein Bücherregal so durchgucke, dann wird es jedoch deutlich: Während sich jeder (vorwiegend englische) Raufbold früher oder später dazu berufen zu fühlen scheint seine Erfahrungen mehr oder minder authentisch zu Papier zu bringen, so gibt es über die Ultras eigentlich nur Publikationen „von außen“. Sprich: Von Journalisten, Polizisten oder gar wissenschaftliche Texte. Eigentlich ein Undingen, wenn man bedenkt, dass unsere Bewegung mit knapp 40 Jahren längst aus dem Kindesalter rausgewachsen ist. Im Mutterland der Ultras, in Italien, sieht es auch nicht viel besser aus – aber eben doch besser. Mit „Tifare contro“ wurde nun endlich eines dieser Bücher übersetzt und ist nun auch für die von uns lesbar geworden, die nicht fließend italienisch sprechen.

Grund genug sich dieses Machwerk genauer zu Gemüte zu führen. Gleich von Anfang an wird der Unterschied zu den angesprochenen Hooliganbüchern klar, denn der Autor (selbst viele Jahre in der Fankurve aktiv) geht ganz anders an die Materie ran als seine Autorenkollegen von der Insel, die gerne heroisch ihre geschlagenen Schlachten schildern und feiern. Das Buch von Giovanni Francesio liest sich vielmehr wie eine große Abrechnung mit den Ultras und dem, was sie verpasst und (sich selbst) kaputt gemacht haben. Eine große Portion Frust und Wut schwingt mit, wenn er von ausufernden Gewaltexzessen schreibt, bei denen am Ende nicht nur einmal jemand liegen bleibt. Und er gibt auch gleich selbst die Antwort auf die Frage die man sich unwillkürlich stellt: Nein, das kann natürlich kein zivilisierter Staat auf Dauer dulden, dass es Gruppen gibt, die das staatliche Gewaltmonopol nicht nur verneinen, sondern regelmäßig bekämpfen. Auch ein Land wie Italien, das viele tiefgreifendere Probleme wie Korruption oder Armut hat nicht. Folgerichtig wurde irgendwann eingegriffen. Musste irgendwann eingegriffen werden. Und das nicht, wie viele denken erst mit dem Tod des Polizisten Raciti im Februar 2007 in Catania sondern schon über 10 Jahre vorher, Mitte der 1990er Jahre. Warum und wieso dies passierte, warum es unausweichlich war und was man hätte tun können um dies zu verhindern schildert der Autor manchmal auf eine fast wie eine wissenschaftliche Abhandlung zu lesende Art und Weise, dann wiederum sehr persönlich und auch emotional. Manchmal schreibt er als Fan, manchmal als Ultra und auch wenn man einige Punkte nicht teilen mag (so beispielsweise die in scheinbar allen Ländern, in denen Fußball noch in schönen alten Stadien und nicht in neumodischen Arenen gespielt wird, verbreitete Begeisterung für den Neubau von Stadien), so erhält man durchaus tiefere Einblicke in die Denkweise der Protagonisten jener Tage.

All das wird untermalt und eingefasst in kurze Episoden der Ultrasgeschichte, die sicherlich auch für den einen oder anderen Italienkenner Neues und vor allem Interessantes bergen dürften. Alles in allem ungewöhnlich kritische Töne von einem, der mit Ultrà abgeschlossen zu haben scheint, der der Bewegung keine weitere (ehrliche) Überlebenschance gibt. Und das überraschender Weise nicht wegen der staatlichen Repressionen, die die Ultras zu ertragen haben, sondern vor allem weil die Gruppen selbst nicht dazu in der Lage waren sich von rein kriminell orientierten Personen und –gruppen zu distanzieren und diese auszuschließen. Weil sie zugelassen haben, dass Menschen (Ultras, Polizisten und gänzlich Unbeteiligte) ihr Leben ließen, weil Gewalt, Machtgefühle und auch Geld Überhand nahmen. Eine selbstkritische und sehr ehrliche Betrachtungsweise und ein Buch, welches für die deutsche Szene gerade zum richtigen Zeitpunkt kommt, denn auch hier stehen viele Gruppen an einem Scheideweg und müssen für sich (bzw. für alle) entscheiden welchen Weg sie gehen wollen: Langfristig sich als Ultras in den Fankurven der Republik festigen oder kurzfristig Spaß, Randale und Bambule zu haben – mit einer nicht auszuschließenden Gewaltspirale, welche genau wie in Italien irgendwann für das Ende dieser ganzen Bewegung sorgen könnte.

Besinnliche Worte (nicht nur) zur Weihnachtszeit. Ein Buch, das ich mir im Vorherein ganz anders vorgestellt habe aber nach dessen lesen ich einige neue Gesichtspunkte hinzugewonnen habe und das sich hoffentlich einige deutsche Ultras mal zu Gemüte führen. Darf auch in eurem Bücherregal auf keinen Fall fehlen!

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